Vor einem Jahr lernte ich die Bewohner der Güterstraße 3 (G3) kennen, die damals hinterm Leipziger Hauptbahnhof in einem Haus ohne fließend Wasser, Strom und Heizung hausten. Nach der Räumung des Grundstücks zogen die Obdachlosen in eine ehemalige Autowerkstatt in der Berliner Straße 66 und haben bis Mai 2020 erst einmal ein Dach über dem Kopf gefunden.
Punkwerxxkammer für Leipzig
Im September 2018 gründeten sie einen Verein, der seit März eingetragen und nunmehr arbeitsfähig ist. Das Motto des Vereins Punkwerxxkammer für Leipzig lautet „von Obdachlosen für Obdachlose“. Die Punks kümmern sich um Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, sammeln Kleiderspenden und wollen demnächst eine Suppenküche anbieten. Der Mitgliedsbeitrag beträgt fünf Euro monatlich und jeder ist willkommen.
Nadine ist die Vereinsvorsitzende und eine echte Leipzigerin, die im Osten mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen ist. „Bei uns standen das Trinken, Feiern und der Punkrock auf der Tagesordnung“, erzählt die 31-Jährige. Seit sieben Jahren lebt die trockene Alkoholikerin auf der Straße. Mit Freund Luigi teilt sie sich eine Schlafkabine neben der Kleidersammlung.
Wohngemeinschaft mit Regeln
Die Werkstatt-Bewohner haben sich am Bahnhof kennengelernt und nach einer gemeinsamen Unterkunft für sich und ihre Vierbeiner Ausschau gehalten. „Voraussetzung für alle, die hier wohnen wollen, ist die WG-Tauglichkeit“, erklärt Nadine. Die Wohngemeinschaft besteht derzeit aus sechs Männern, zwei Frauen und ihren geliebten Hunden. „Unser Zusammenleben funktioniert deshalb so gut, weil wir uns an Regeln halten“, so die zierliche Frau.
Wir sitzen im Wohnzimmer, eine Wanduhr tickt und sechs Welpen kuscheln vor der Elektroheizung. Sämtliche Möbel sind Spenden von lieben Menschen, die vorbeikommen und Gutes tun. „Neulich kam eine alte Frau aus der Nachbarschaft und brachte uns einen Couchtisch. Was wir momentan dringend suchen, sind ein Elektriker für die alten Leitungen und ein Dachdecker, weil es hier undicht ist“, sagt der 29-jährige Sven. Aber auch Schränke und Regale werden gebraucht.
Nach dem Aufstehen wird der Tag geplant – die Hälfte der Bewohner geht schnorren, die anderen, die eigenes Geld haben, bleiben daheim und erledigen die Haus- und Küchenarbeiten. Bea kümmert sich am Schreibtisch ums Vereinsbüro und erinnert sich: „Ich war vier und mit meiner Mutter am Berliner Alex. Als ich die Punks sah, wusste ich, wenn ich groß bin, möchte ich auch solche Haare haben“, plaudert die 36-Jährige, deren neun Monate alte Enkeltochter vor Kurzem zu Besuch war. Oma Bea hat ihrer Tochter Mariam die Grünauer Wohnung überlassen und wohnt zusammen mit ihrem Freund in der WG. Matze sitzt allerdings gerade hinter Gittern und kehrt erst im Frühjahr zurück.
Rundgang durchs neue Heim
Auf dem Rundgang durch das Vereinsheim spüre ich den Stolz der Bewohner auf das Zuhause. Es gibt fließendes Wasser, eine Badewanne und Küche. „Beim Trockenbau haben alle geholfen und Nadine hat die Wände gestrichen“, erzählt Bea und zeigt auf ihren Einhorn-Bademantel, der ein Stück Normalität ausdrückt. Und wie in der G3 haben die Bewohner auch einen Punkertresen, an dem sie abends zusammensitzen, quatschen und laut die Songs von den Bands „Die Ärzte“ und „Die Toten Hosen“ hören. Im November spielte hier sogar die ungarische Punkband „Barackca“, für die eine Bühne gebaut und Technik besorgt wurde. Das kostenlose Livekonzert war am Heiligabend noch Gesprächsthema – nach dem traditionellen Gänsebraten, für den sie alle monatelang gespart haben. „Den Weihnachtsabend verbringen wir familiär in unserem Wohnzimmer. An den Feiertagen stehen die anderen Bedürftigen wieder im Mittelpunkt“, sagt Luigi, der sich um die Kleiderspenden kümmert.
Spenden willkommen
Wer der Punkwerxxkammer und den Obdachlosen helfen will, kann sich gerne in der Berliner Straße 66 melden.
Respekt! Ich wünsche der Wohngemeinschaft einen guten Start in das neue Jahr und hoffe, dass sie ihre Werkstatt behalten können! Alles Gute!
Eine tolle Initiative, vielleicht können wir helfen.
Benötigt Ihr sehr gute Matratzen und wenn, wie viele?
Wir haben auch Tische etc.. Meldet Euch unter Tafel Leipzig 0341- 6 89 84 81, 0163 – 8 86 82 25.
Gruss das Tafelteam.