Das Leben ist eine Komposition

Am vergangenen Wochenende war ich im nordsächsischen Delitzsch bei Volker Lauckner zu Gast, der mich in sein Klang-Universum entführte. Seit 15 Jahren wohnt der gebürtige Erzgebirger mit seiner Partnerin Kerstin in einer alten Villa von 1906. Hinterm Haus wächst eine 220 Jahre alte Platane, die ein wichtiger Kraftort für den 73-Jährigen ist, wo er abschalten und entspannen kann.

Auftauchen

Sein Leben sei wie eine Komposition, sagte einmal ein guter Freund zu ihm. 1947 hat er das Licht der Welt erblickt und eine behütete Kindheit in Aue verbracht. Zur Jugendweihe 1961, so erinnert er sich, gab es so viele Geldgeschenke, dass sich Volker ein Rennrad leisten konnte. Als er später bei Wettbewerben die Siegerpodeste erklomm, stieg auch seine Selbstachtung. Mit der Ausbildung zum Krankenpfleger lernte er alsbald das Leben zu schätzen und es wurde ihm auch bewusst, dass die Endlichkeit existiert, erzählt er.

Entdeckung der Künste

Später ging der studierte Philosoph unter die Autoren und schrieb brisante Geschichten, wie er es nennt. 1984 begann er ein Fernstudium am Literaturinstitut, bei dem er die künstlerischen Kreise kennenlernte. Ende der Achtzigerjahre wohnte und arbeitete der Familienvater als Kulturhausleiter im Barockschloss Schönwölkau, wo er sich den Künsten widmete und Veranstaltungen organisierte. Nach der Wende entdeckte Lauckner dann eine neue, andere Welt, verdiente sich als Außendienstmitarbeiter seine Brötchen und kam nach zehn Jahren zur Erkenntnis: „In der Tat – Ware ist alles.“ Heute sagt der Wahl-Delitzscher im Rückblick auf seine bewegte Biografie: „Alle Geschehnisse waren voller Nützlichkeit.“

Als sich das Leben veränderte

Sein neues Leben begann 2004, da tauchte er in die mystische Welt der Gongs voller beruhigender Klänge ein, die ihn mit Dankbarkeit erfüllten. Ursprünglich hatten die Instrumente – der Kosmos-Gong misst immerhin einen Durchmesser von 1,50 Metern – im damaligen Wohnzimmer der Familie ihren angestammten Platz. Heute ist das einstige Klangzimmer der kreative Hobbyraum seiner Frau. Das Nähen sei ihre Meditation, ein guter Ausgleich zur Arbeit, wie sie findet. Der Schriftsteller Bertolt Brecht, den der Hausherr verehrt, grüßt von der gelben Wand.

Bollhagen, Wilhelm und Zinn

Die 165 Quadratmeter große Wohnung ist ein schöner Ort zum Leben und Wohlfühlen –  mit stimmungsvollen Bildern und Skulpturen, ein paar Erbstücke wie das Zinngeschirr der Großeltern aus dem Erzgebirge und die Anrichte mit Intarsien, die vermutlich viele Geschichten erzählen kann. Die gemütliche Küche ist das Reich seiner Frau und so erfüllt gerade der Duft eines selbstgebackenen Brotes den Raum. Im Küchenregal ist die Keramikerin Hedwig Bollhagen mit ihrem Geschirr präsent und ein Kunstwerk des Leipziger Grafikers Michael Wilhelm, das Volker seiner Liebsten zum Geburtstag schenkte, schmückt die große Essecke.

Zweites Wohnzimmer

Mein Besuch endet im 500 Meter Luftlinie entfernten „neu angemieteten Wohnzimmer“ im Barockschloss Delitzsch, das er im September 2019 mit all seinen Gongs, Trommeln und Klangschalen gestaltet hat. Die großen Teppiche aus Auerbach sind Geschenke, ebenso wie die Bücher der Bibliothek. Zum himmlischen Erlebnis seiner Klang-Meditation kamen im ersten Jahr bereits 1300 Besucher. Der Künstler ist beseelt von 180 Konzerten in den vergangenen 15 Jahren: Er durfte schon in ganz Mitteldeutschland und Mecklenburg-Vorpommern spielen – an ungewöhnlichen Orten wie dem stillgelegten Wasserzentrum in Bitterfeld oder im Leipziger Völkerschlachtdenkmal. Jeden Mittwoch öffnet er das „Klang-Kunst-Gewölbe“ für sein Publikum (bitte anmelden), damit es in den Gong-Klängen „baden“ und der Realität für den Moment entfliehen kann.

4 Gedanken zu „Das Leben ist eine Komposition“

  1. Volker Lauckner hat nach langem Bemühen einen grossartigen Ort für musikalische Reisen ins innere Selbst erschaffen! Er ist dabei vielfach unterstützt worden. Die Helfenden wären nicht zu ihm gelangt – oder er zu ihnen – ohne die von ihm ausgesandte Energie.
    Er arbeitet weiter daran, diesen Raum auch durch andere künstlerische Erlebnisse zu einem hohen Energieniveau zu verhelfen. Alle Gäste wissen es zu schätzen, viele sind überwältigt.

  2. Eben sehe ich zufällig – oder nicht – Volkers Todesnachricht im PC. Bin sehr berührt – seine letzte mail erhielt ich nach längerer Zeit des Schweigens im letzten Herbst , wo er seinen eventuellen Besuch ankündigte. Wir kannten uns nicht lange, doch jedes Treffen mit ihm war lebendig und inspirierend.
    Die Bücher, die Du auf Deinen Durchreisen bei mir gelassen hast, haben einen wichtigen Platz in meinem Haus. Ich danke Dir noch einmal dafür, lieber Volker und grüße Deine Familie mit vielen guten Gedanken.

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