Für mich geht’s diesmal zum Auswärtstrip nach Halle. Die gebürtige Leipzigerin Sandy öffnet mir zum Hausbesuch in der Saalestadt die Wohnungstür. In Kürze verabschiedet sich die Studentin von ihrem 36 Quadratmeter großen Appartement im ruhigen Stadtteil Trotha, denn künftig möchte sie in einer lebhaften Gemeinschaft mit Kommilitonen wohnen. Nach knapp einer Stunde Fahrt erreiche ich die Wohnsiedlung aus den 1930er-Jahren und steige die Holztreppen hinauf.
Panorama
Nach dem Abitur in der Pleißestadt zog die heute 24-Jährige nach Schwäbisch Gmünd und absolvierte dort eine Ausbildung zur Goldschmiedin. Anschließend ging sie für ein Jahr in die USA, wo sie das erste Mal kleine Schmuckstücke „handmade“ fertigte und Silber und Kupfer als Lieblingsmaterialien für sich entdeckte. An der Hallenser Kunsthochschule Burg Giebichenstein erfüllte sich Sandy vor zwei Jahren dann ihren Traum und studiert seitdem Schmuckkunst.
Vom Dachfenster zum Minibalkon
In dem dreistöckigen Mehrfamilienhaus lebt die Kunststudentin unter einem Dach. Sandy erinnert sich noch genau an den Besichtigungstermin in der kleinen Butze: „Die Wohnung war bunt, mit Teppichboden ausstaffiert und eigentlich ziemlich hässlich – aber sie hatte Charme.“ Die junge Frau zeigt auf die schöne hölzerne Trennwand zwischen Wohnbereich und Küche, die der Vermieter eigentlich entfernen wollte. Auch das Dachfenster, das in Nullkommanichts zu einem Minibalkon verwandelt wird, gefällt ihr richtig gut.
Ein Partyluftballon an der Decke erinnert noch an eine der zurückliegenden Feiern, nach der ein paar Freunde bis zum Morgen blieben und übernachteten. Schnell kann der simple Esstisch, eine große Platte auf Böcken, zusammengebaut und verstaut werden, um Platz für Schlafmöglichkeiten zu schaffen.
Musik ist ihr Leben
Als ich die 1,5-Raum-Wohnung betrete, merke ich sofort, dass hier jemand lebt, der oft und laut Musik hört, gern auf Festivals wie dem Highfield oder zum Wacken fährt und ein edler Rock- und Metal-Fan ist. Meine Augen wandern zur Anlage mit den zwei großen Lautsprechern und dem Schallplattenspieler. Vorm Schrank steht eine E-Gitarre, die Sandy seit einem Jahr zu beherrschen versucht. Die Audio-Geräte hat sie von ihrem Papa geschenkt bekommen, der sich neue Technik zugelegt hat. Ein „netter“ bunt bemalter Totenkopf mit blauen Augenhöhlen thront auf der Musikkommode – nur eines von vielen Schädel-Modellen, die Sandy individuell kreiert und in Gips, Ton oder Beton gegossen hat.
Inspiriert von Frida
Hinter einer Falttür versteckt sich das Schlafkämmerlein mit ein paar Pflanzen und einem original „Sugarskull“ – ein farbenfroher Deko-Schädel aus Mexiko. Über dem kleinen Rollschrank hängt an der Wand ein Porträt der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, die sie ebenso verehrt wie den Leipziger Künstler Neo Rauch.
Gern besucht sie auch ihre Familie in der Messestadt. Aber momentan ist die Kunststudentin viel mit dem Auto unterwegs und deshalb manchmal heilfroh, wenn sie daheim auch mal die Beine hochlegen kann, um entspannt in ihren Kunstzeitschriften zu blättern. Der Grafikschrank in der Ecke ist übrigens ein Werk ihres Großvaters, der das Möbelstück selbst designt und gebaut hat. Das Künstlerische liegt eben in der Familie.
Hier wurde aus wenig (Platz) viel gemacht. Es bleibt Studentenbude, aber doch recht gut gemacht, sehr individuell, aber stimmig. Wer so flippig leben will, warum nicht. Warum soll sich jeder mit tonnenschweren Sitzgarnituren, antiken Teppichen und Marereien (mein Stil) umgeben, wenn es auch anders geht. Nur diese Affinität zu Totenköpfen irritiert mich. Aber auch das ist Geschmacksache. Gesamteindruck: Es geht auch deutlich schlechter.