Willkommen bei der Familie Gottert im Südosten der Messestadt! Kennengelernt haben wir uns kürzlich nach einem Laufevent im Oberholz, das ich für den Sportbuzzer begleiten durfte. Frank zählt 79 Lenze, sein Bruder Steffen ist 76 Jahre alt. Der Ältere wohnt mit seinem Sohn und dessen Familie unter einem Dach, nebenan im Häuschen, das ebenfalls 2002 bezugsfertig war, residiert der Jüngere mit seiner Frau.
Bevor uns der Regen ins Trockene scheucht, laden mich die Brüder auf einen Spaziergang übers 1976 erworbene 15.000 Quadratmeter große Grundstück in Leipzig-Holzhausen ein. Nachbars Hund Gerox, eine Deutsche Dogge, schaut gemeinsam mit Herrchen interessiert herüber, während ich mit der Kamera alles unter die Lupe nehme. Im Vorgarten stehen Vogelbeerbäume, Baum-Hasel und Esskastanien: „In schlechten Zeiten geht’s raus auf die Wiese“, witzelt Frank Gottert, denn auf der ehemaligen Obstplantage gibt es noch jede Menge Apfel-, Pflaumen-, Birnen-, Quitten-, Pfirsich-, Kirsch- und Nektarinenbäume, deren Früchte köstlich munden.
Das Gartengrundstück
Im alten Wochenendhaus strampeln die Brüder im Winter auf dem Laufband so manche Stunde, trotz allem geht es jeden Tag bei Wind und Wetter zum Laufen ins Freie. „Unser Fitnessraum ist die Natur“, sind sich Frank und Steffen einig. Eine alte, größere Vogeltränke dient heute als Kinder-Badeparadies für die Enkel und für die Großen gibt es eine Gartenbar, in der Keeper Christoph, Franks Sohn, für die Getränke zuständig ist. Auf dem Grundstück steht auch noch die alte Laube der Eltern, die früher in Gera wohnten und an den Wochenenden zum Erholen an die Pleiße kamen.
Marathonstadt Leipzig
Die Leidenschaft für den Sport teilen die Brüder seit ihrer Kindheit. In Franks Diele schauen wir uns einen Teil seiner 1000 Stücke zählenden Plakate-Sammlung von Laufveranstaltungen aus aller Welt an. Darunter sind Erinnerungen an Franks ersten New-York-Marathon im Jahr 1990, bei dem er mit 25 ehemaligen DDR-Sportlern dabei war und die Startgebühr erst nach der Währungsunion gezahlt werden konnte. Knapp 30 Jahre später, im April dieses Jahres, hat der ältere der Geschwister ein Buch zur Geschichte der Marathonläufe in Leipzig von 1897 bis 2018 (Universitätsverlag Leipzig) veröffentlicht. Fünf Jahre lang hat Frank Gottert, der Maurer gelernt hat, später Wirtschaftswissenschaften studierte und bis vor zehn Jahren als Dozent für private Bildungsträger arbeitete, Material zusammengetragen, Ergebnislisten recherchiert und Bilder herausgesucht.
Arbeitszimmer des Älteren
In sein Arbeitszimmer darf ich einen Blick werfen: Der schwebende Frosch von der Decke sorgt für ein „Gefühl der Freiheit der Gedanken“, sagt der Hausherr und setzt sich ans Harmonium, das um die Jahrhundertwende gebaut wurde und von einer Nachbarin stammt. Ein paar Weihnachtslieder könne er noch spielen, denn in der sechsten Klasse habe er am Klavierunterricht teilgenommen. „Man hat aber nur ein Leben und muss sich irgendwann entscheiden. Sport war immer die Hauptsache“, sind sich die Brüder einig, die jeden Tag Kilometer um Kilometer schrubben und auch das Gartengrundstück gemeinsam bewirtschaften.
Unterm Dach bei Kati und Steffen
Handelsfachwirt Steffen, der gelernter Zimmermann und studierter Unterstufenlehrer ist, wurde nach Beendigung seiner sportlichen Laufbahn Trainer, kümmert sich um den Leipziger Nachwuchs und wohnt nebenan mit Ehefrau Kati. In ihrem Häuschen, an dem die Geschwister meist abends nach der Arbeit und dem Laufen gemeinsam gewerkelt haben, gibt es genug Platz für Familienfeiern – im Wohnzimmer wird dann eine sechs Meter lange Tafel für 30 Leute aufgebaut. Im Haus gibt es Fußbodenheizung und einen Kamin sowie einen bunten Hingucker im Obergeschoss – eine farbige Verglasung. Unterm Spitzdach hatte Sohn Johannes, heute 33, sein Kinderzimmer. Auf der Galerie baumelt ganzjährig ein Herrnhuter Weihnachtsstern und verkündet schon jetzt das herannahende Fest.
Wie toll und inspirierend für mich als Hobbyläufer.