Heute bin ich zu Gast bei dem Ur-Leipziger Hans-Joachim Hädicke, ehemaliger Augenoptikermeister und begeisterter Hobby-Historiker, der mit Ehefrau Silvia im schönen Leipzig-Gohlis lebt.
Willkommen im Norden Leipzigs
Bevor der 70-Jährige aus dem Nähkästchen plaudert, gibt’s Erdbeerkuchen und Kaffee. Seit 1986 wohnen die beiden auf 63 Quadratmetern in einem Wohnhaus aus den Dreißigerjahren, das 2001 rekonstruiert wurde. „Seitdem haben wir leider keinen Balkon mehr, dafür aber eine neue Küche“, plaudert die 67-Jährige, die in Wechselburg an der Mulde aufwuchs. Ihren zukünftigen Gatten und Vater des gemeinsamen Sohnes lernte sie in den 1970er-Jahren bei einer Zugfahrt zur Fachschule für Augenoptik in Jena kennen, wo sie beide studierten.
Der Hausherr, der im benachbarten Stadtteil Möckern aufwuchs, kennt den Norden der Messestadt aus dem Effeff. „Wir fühlen uns hier wohl“, sagt der ehemalige Geschäftsmann, der sich am 1. Juli in den Ruhestand verabschiedet hat. Historische Brillen bleiben seine Leidenschaft – eine Sammlung hat er kürzlich ans Leipziger Stadtgeschichtliche Museum übergeben. Seit der Kindheit ist der Sammler auch fasziniert von Uhren. Als Bub hat er seinem Patenonkel beim Reparieren von Porzellanuhren zugeschaut, und heute hängen die Zeitmesser in der ganzen Wohnung. „Das Ticken ist Balsam für die Seele“, sind sich die beiden Rentner einig.
Ein bisschen Ostalgie
Von der gemütlichen Küche mit dem verglasten Anbau, in dem die Grünpflanzen gut gedeihen, geht es ins Wohnzimmer mit einem Hauch von Ostalgie. Die Original-Schrankwand „Modell Nadja“ stammt aus dem Jahr 1979 – mit einer Bar, in der man sich auch wunderbar spiegeln kann. Die meisten Aquarelle an der Wand hat Silvias Vater gemalt. „Er hat in der Espenhainer Kohle gearbeitet und das Malen war sein Hobby“, sagt die ehemalige Augenoptikerin mit Blick auf sein „Schokoladenmädchen“ nach dem Original von Jean-Etienne Liotard, das sie besonders in Ehren hält.
Palmengarten und die Alpen
Geschichte habe Hans-Joachim Hädicke schon immer interessiert. Kurz nach der Wende sei er mit seinem „Lada Niva“ in den westlichen Harz gefahren, wo er eine Postkarte aus dem Leipziger Palmengarten entdeckte – daraus entwickelte sich eine Sammelleidenschaft. „Von einer Kita-Erzieherin meines Sohnes habe ich mal einen ‚Kulturspiegel‘ von 1907 bekommen, der mein Interesse an dieser Parkanlage geweckt hat“, erinnert sich der Heimatfreund. Seitdem dokumentiert er die Historie des Palmengartens, hält Vorträge bei der Volkssolidarität und sammelt Anekdoten, die ihm seine Kundschaft früher nebenbei im Geschäft erzählt hat. „Das ist ein Lebenswerk von mir“, betont der Gastgeber. Er würde sich freuen, wenn ihm interessierte LVZ-Leser/User ihre eigenen persönlichen Storys über den ehemaligen Leipziger Vergnügungspark berichten könnten und sich an ihn wenden – gerne per Email an wohnblog@lvz.de
Für mein Abschlussfoto platziert sich das Ehepaar unter einer Alpenlandschaft an der Wand, die einen Sehnsuchtsort darstellt, den die ehemaligen DDR-Bürger damals nicht live und in Farbe erleben konnten.