Spezial: Mein Viertel – Lindenau

Christina Weiß sitzt auf einer Treppenstufe neben dem alten Pförtnerhaus am Eingang des Diakonissenkrankenhauses und blinzelt über den Rand ihrer Brille in die Sonne. „In Lindenau, da ist der Himmel blau“, rezitiert die 45-Jährige. Die studierte Romanistin und klassische Archäologin wohnt seit 1997 im Viertel, arbeitet im Auftrag der Kommune für das sogenannte Magistralenmanagement Georg-Schwarz-Straße – eine der Hauptverkehrsachsen des Quartiers – und sitzt seit 2001 ehrenamtlich im Vorstand des Lindenauer Stadtteilvereins. Weiß weiß viel, redet schnell und hat es eilig auf dem Weg durch das damalige „größte Dorf Sachsens vor der Eingemeindung nach Leipzig 1891“.

„Als wir 2003 angefangen haben, war die Georg-Schwarz-Straße eine absolute No-go-Area“, holt Christina Weiß aus. Abgesehen von Schlagzeilen über Häusereinstürze und Gewalt habe es kurz nach der Jahrtausendwende nicht viel gegeben. Obwohl die Bevölkerung mit dem Millenium erstmals seit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren – damals zählte Lindenau knapp 63.000 Einwohner –  wieder zaghaft wuchs.

Durch die ortsansässige Industrie „war Lindenau in großen Teilen Arbeiterviertel“, sagt Weiß. „Es gibt einige Nachbarn, die in der dritten Generation noch in derselben Wohnung leben.“ Zuletzt hat die Stadtverwaltung nicht ganz 28.000 Einwohner im Quartier gezählt. Der Zuzug hält an. Jetzt tue sich „auf sehr engem Raum sehr viel“, meint Weiß. Auf einem Pflaster, das zwischen altersschwachen Häuserzeilen und Jungfernprojekten wie dem „Kaffee Schwarz“ einen zweiten Frühling erlebt.

Neben zehn Wächter- und Ausbauhäusern – maroden Immobilien, die meist von ganzen Gruppen mietfrei und in Eigenregie renoviert werden – gebe es günstige Mieten, könne sich jeder ausbreiten, wie er möchte. „In Lindenau lebt ein Mix, den es sonst so in der Stadt nicht gibt.“ Mit anderen Worten: Vom Akademiker bis zum Arbeitslosen könne der Hochschulprofessor den Trinker zwischen Kreativräumen und Ateliers treffen. Sagt Weiß, während sie durch die Georg-Schwarz-Straße in Richtung Merseburger Straße jagt, in alle Himmelsrichtungen gleichzeitig zeigt und Geschichten erzählt.

Die ganze Story lest ihr im LVZ sonntag. Text: Felix Kretz

2 Gedanken zu „Spezial: Mein Viertel – Lindenau“

  1. © LVZ-Online, 10.03.2010

    Polizeieinsatz bei Buchkindern

    Polizei bei der Mitgliederversammlung, Hausverbot für den Ideengeber und Gründer, Streit um „echte und gefühlte Mitgliedschaften“ – der bundesweit hochgelobte, weil in dieser Form einzigartige Verein Buchkinder Leipzig blickt auf turbulente Wochen und Monate zurück. Das Band zwischen den offenbar existierenden zwei Lagern scheint zerschnitten, ein tiefer Graben behindert aktuell die weitere Umsetzung der hehren Ziele.

    „Der Interimsvorstand, geführt durch Christina Weiß, will viel Gutes. Er benutzt auf diesem Weg aber undemokratische, unmoralische und inhumane Methoden“, echauffiert sich Thomas Leo Kottke, Stiefvater eines der rund 200 durch den Verein betreuten Kinder. Trauriger Höhepunkt sei der Polizeieinsatz bei der Mitgliederversammlung Ende vergangener Woche gewesen, die nach Rangeleien im Einlassbereich und der Hinzuziehung von Beamten nach weit verspätetem Beginn erfolglos beendet worden sei.

    Der Streit entzündete sich offensichtlich bereits im Vorjahr an der Trennung des (Interims-) Vorstandes von Ralf-Uwe Lange, dem Gründungsvater. Er soll gemobbt und mit falschen Anschuldigungen aus dem Verein gedrängt worden sein, die neue Führung kann und will sich „aus Arbeitsrechtsgründen“ dazu nicht äußern. Streit gibt es zudem um die Frage, ob die Unterschriftensammlung der Aufbegehrenden, die eine außerordentliche Mitgliederversammlung forderte, mit Blick „auf unleserliche Namen und nicht bestätigte Mitglieder“ rechtens war oder nicht. Zudem werfen sich beide Lager vor, neue Mitglieder „als Machtmittel“ bei Abstimmungen einsetzen zu wollen. „Wir haben es nicht geschafft, von der emotionalen Ebene wegzukommen“, sagt die Geschäftsführerin Birgit Schulze Wehninck. Es sei sehr schade, dass all dies auf dem Rücken der Kinder passiere. Am kommenden Sonnabend findet von 10 bis 12 Uhr im Buchkinderladen eine Infoveranstaltung statt.

  2. „Neben zehn Wächter- und Ausbauhäusern – maroden Immobilien, die meist von ganzen Gruppen mietfrei und in Eigenregie renoviert werden – gebe es günstige Mieten, könne sich jeder ausbreiten, wie er möchte.“

    Es gibt in der Georg-Schwarz-Straße nur ein Wächterhaus des HausHalten e.V. in der Nr. 70, dessen Verträge Ende diesen Jahres enden. In der Merseburger Str. 88 b gibt es ein Ausbauhaus ebenfalls unter Ägide des HausHalten e.V.

    Bei den anderen Häusern, auf die in dem Bericht abgezielt wird, gilt das Gleiche, was bereits in einem Leser_innenbrief an das Stadtmagazin „Kreu­zer“ vor über zwei Jahren festgestellt wurde:
    Selbstverständnis Leipziger Kollektivhäuser

    Wir po­si­tio­nie­ren uns im Namen ver­schie­de­ner selbst­or­ga­ni­sier­ter Wohn­häu­ser im Kol­lek­tiv­ei­gen­tum.

    Un­se­re Häu­ser sind keine „Wäch­t­er­häu­ser“ und keine „Aus­bau­häu­ser“!

    „Wäch­t­er­häu­ser“ sind Zwi­schen­nut­zun­gen für 3-5 Jahre, bei „Aus­bau­häu­sern“ geht es um Miet­ver­trä­ge […]. Eine Haus­ei­gen­tü­me­rin stellt ihr Haus für einen be­grenz­ten Zeit­raum zur Ver­fü­gung, damit das Haus er­hal­ten, schritt­wei­se sa­niert und auf­ge­wer­tet wird. Ziel ist es, diese Zeit­räu­me zu über­brü­cken, bis es am Im­mobi­li­en­markt wie­der bes­se­re Ver­wer­tungs­chan­cen gibt. In sol­chen Häu­sern kön­nen tolle Haus­ge­mein­schaf­ten ent­ste­hen. Doch sie kön­nen nicht selbst über ihre Zu­kunft im Haus be­stim­men. Selbst­or­ga­ni­sier­te Wohn­häu­ser im Kol­lek­tiv­ei­gen­tum sind kein Zwi­schen­spiel bis zur „rich­ti­gen“ Ver­wer­tung. Diese Häu­ser sind eine Al­ter­na­ti­ve dazu.

    […], wich­tig sind die uns ver­bin­den­den Grund­sät­ze:
    – Gleich­be­rech­ti­gung aller Be­woh­ne­rIn­nen
    – ge­mein­schaft­li­ches, kol­lek­ti­ves Ei­gen­tum
    – eine Nut­zung, die sich nicht am Geld ori­en­tiert, son­dern Men­schen mit ge­rin­gen fi­nan­zi­el­len Mit­teln Zu­gang er­mög­licht
    – Schaf­fung einer so­li­da­ri­schen In­fra­struk­tur zwi­schen den Häu­sern und Un­ter­stüt­zung neuer Grup­pen

    Es geht nicht darum, das Pri­vi­leg preis­wer­ten Wohn­raums für uns oder eine klei­ne Grup­pe ähn­lich Ge­sinn­ter zu be­hal­ten – es geht darum, eine Stadt für alle an­zu­stre­ben. In die­sem Sinne sind un­se­re Häu­ser po­li­tisch.

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