Nostalgie und Neue Musik

Hausbesuch bei Juliane und Ermis in Leipzig (Foto: Regina Katzer)

Der erste Advent und ich stehen vor der Tür: Ich bin im Leipziger Zentrum unterwegs, auf einer der Hauptverkehrsstraßen in Richtung Waldplatz, wo es laut und geschäftig zugeht. Juliane Harberg und Ermis Theodorakis leben seit drei Jahren in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in einem 1901 gebauten Gründerzeithaus.

Hier spielt die Musik

Den Fahrstuhl lasse ich links liegen und nehme lieber die hölzerne Treppe des denkmalgeschützten Hauses, das viel Charme ausstrahlt. Ganz oben ist es ruhig und still. In der lichtdurchfluteten Wohnung meiner Gastgeber künden die ersten Weihnachtsboten von der nahen Adventszeit. Französische Musik klingt mir im Ohr und ich tauche in die Musikwelt des Künstler-Ehepaares ein, das in der Pleißestadt seine Wahlheimat gefunden hat.

Das Apartment mit seinen 66 Quadratmetern Wohnfläche besticht durch einen ungewöhnlichen Schnitt. Ursprünglich träumte Juliane von einer Drei-Zimmer-Wohnung, um auch ein Gästezimmer für Freunde zu haben. Das viele Licht, der umgebaute Wintergarten und die gute Außendämmung machen die Wohnung zu etwas ganz Besonderem. „Wir können 3 Uhr morgens musizieren, das stört hier niemanden“, erzählt der Grieche.

Sie fühlen sich wohl im Kiez und haben nette Nachbarn, mit denen sie im Hinterhof Gartenpartys feiern. Ihre Wohnung ist offen für in Leipzig konzertierende Kollegen: Man kocht und isst gemeinsam oder spielt auf dem Flügel, der Ermis schon seit 2009 begleitet, neue Kompositionen ein.

Upcycling und Kunst

Die Möbel stammen aus dem Internet-Auktionshaus. Ihre Musik-Bibliothek haben beide gemeinsam aus Brettern gebaut – für ihre unterschiedlich großen Partituren hervorragend geeignet. Den alten Sessel, der quasi das Musikzimmer vom offenen Wohnzimmer abteilt, haben sie neu aufgepolstert. Der kleine Schrank hinter dem gläsernen Esstisch war ursprünglich ein Hängeschrank, jetzt steht er auf vier Beinen und hat einen neuen Anstrich bekommen. Ein Fernsehgerät gibt es hier nicht, Informationen holen sich die beiden im Netz.

Die Kunst an den Wänden ist abstrakt und ein Blickfang ist Andreas Moustoukis’ Bild in der Sofaecke – ein Werk aus schwarzem Autolack mit rotem Öl. Der Zyprer ist auch als Komponist tätig und Ermis brachte vor drei Jahren auf der zypriotischen Insel einige Uraufführungen Moustoukis’ auf die Konzertbühne. Im hellen Flur hängen kleine handgedruckte Postkarten aus Venedig, die Juliane in der „viel zu touristischen Stadt“ zufällig entdeckt hat. „Ich liebe solche nostalgischen Erinnerungen“, schwärmt sie.

Kennengelernt haben sich die beiden im Jahr 2006 an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig. Juliane (32) studierte Gesang in der Opernklasse, Pianist und Musikwissenschaftler Ermis (38) absolvierte ein Aufbaustudium Komposition. Die gebürtige Schwerinerin verbrachte ihre Kindheit bis zum Abitur in Hamburg und musste sich irgendwann einmal zwischen Handball und Musik entscheiden. Ihr griechischer Ehemann kam in Athen zur Welt, spielte mit acht Jahren Keyboard und begann als Zehnjähriger Klavier zu spielen.

Einblicke in 360 Grad


Seit 1994 tritt Ermis solistisch in ganz Europa, Ghana, Chile und in den USA auf. Im Fokus steht die Neue Musik des 20. Jahrhunderts. Dafür schätzt man den Solo-Pianisten mit dem Doktortitel weltweit. Auch die Mezzosopranistin führt ein Wanderleben zwischen dem Wohnort Hannover und Kiel, wo sie an der Oper engagiert ist.

Endless Love – Mitstreiter gesucht

Im Jahr 2010 treten beide gemeinsam vor den Traualtar, vier Jahre später entscheiden sie sich für Leipzig als „unsere Homebase“, wie sie es nennen. Die musikalischen Freiberufler lieben Leipzig. „Die Stadt tut uns gut – deshalb wollen wir jetzt etwas zurückgeben“, sind sich die beiden einig.
Mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne (bis 13. Dezember 2017) wollen sie die Gründung des Ensemble forma Leipzig Kammerorchester mitfinanzieren. Das Orchesterprojekt soll aus zehn bis 15 Musikern bestehen und sich mit Neuer Musik und den Werken der klassischen Moderne auseinandersetzen. „Wir wollen uns einem breiteren Publikum öffnen, da gibt es in Leipzig noch Nachholebedarf“, berichtet Juliane über die Kampagne „Endless Love“.

7 Gedanken zu „Nostalgie und Neue Musik“

  1. Da haben sich die zwei richtig gemütlich eingerichtet. Ich drücke ihnen natürlich für alles weitere die Daumen. Den Termin am Freitag habe ich mir notiert, bin gespannt 🙂

    Freundliche Grüße

  2. Hallo ihr Lieben,so lernen wir doch einmal euer „Nest“ kennen.Soooo gemütlich!
    Einen Besuch im nächsten Jahr müssen wir uns fest vornehmen!
    Wünschen euch eine schöne Adventszeit!
    LG.Hans-W.&Doris

  3. Die Wohnung scheint an für sich schön zu sein (so weit man das beurteilen kann – leider machen die Bilder das sehr schwer, aber dazu später mehr). Allerdings ist sie nicht besonders gemütlich oder schön eingerichtet. Mich wundert es tatsächlich etwas, warum sie hier abgebildet wird. Ein hübscher Schrank anstatt des (ohne Frage gewiss funktionalen) Notbehelfs und etwas mehr (farblich passende!) geschmackvolle Deko statt des Einrichtungshaus- und Katalogschicks würde das Gesamtbild schon verändern. Alles in Allem keine besonders aufregende, aber eine nette Wohnung – ich hoffe man verzeiht mir die Kritik. Hauptsache ja den Mietern gefällt es.

    Was ich allerdings auffällig finde ist die Qualität der Fotos und merkwürdige Perspektivenwahl. Ohne gehäßig klingen zu wollen: Hat die der Praktikant gemacht? Wie kommt man auf die Idee so unvorteilhafte Perspektiven zu wählen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die, deren Hab und Gut hier abgebildet ist, damit glücklich sind (auch wenn sie gewiss nichts anderes behaupten werden). Das habe ich hier schon viel besser gesehen und die Serie geht auf den ersten zwei, drei Bildern ja auch viel besser los.

  4. Nunja meine damalige Studentenbude vor Jahrzehnten und zu tiefsten Ostzeiten ähnelte diesem Nest.

  5. Gefällt mir! Sehr schön hell und die Einrichtung ist auch sehr individuell. Schön hier jeden Freitag eine ganz andere Geschichte zu lesen. Danke!

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