Es ist früher Abend im Leipziger Süden, das Thermometer zeigt 31 Grad und Petra Radtke begrüßt mich über den Dächern von Lößnig. Die Stimme ihres Lieblingssängers Howard Carpendale schwingt durchs abgedunkelte Wohnzimmer. Bevor ich die Hobbyfotografin näher kennenlernen darf, drehen wir eine Runde durch die 68 Quadratmeter große, ehemalige Familienwohnung. Andächtig verharren wir auf dem Balkon mit dem sensationellen Blick auf das Völkerschlachtdenkmal und das Bruno-Plache-Stadion. „Allein wegen dieses Ausblicks lebe ich gerne in diesem Haus“, erzählt die 65-Jährige mit der Kamera in der Hand. Ihre LVZ-Leserfotos und Stadtteilreportagen füllen drei Ordner.
Kindheit in der „Langen Lene“
Bis zum dritten Lebensjahr wuchs Petra in Brandenburg auf. Da ihr Vater in Leipzig studierte, wurde auch die Familie in der Messestadt ansässig – viele Jahre lebte Petra in Lindenau in einem Altbau mit Außenklo. 1968 wurde Deutschlands längster Wohnkomplex „die Lange Lene“ in Probstheida ihr Zuhause. „Das war ein Traum – mit Heizung, Dusche und Warmwasser“, erinnert sich Petra.
In den Siebzigerjahren studierte die Vorzeigeschülerin, die bei Russisch-Olympiaden immer alles abräumte, am Institut für Lehrerbildung. Als Unterstufenlehrerin unterrichtete sie in den Klassen 1 bis 4 die Fächer Deutsch, Mathe und Musik. „Während meines Schulpraktikums saß meine jüngere Schwester in der Klasse“, erzählt die ehemalige Lehrerin, die Mutter zweier erwachsener Kinder ist. Ihre beiden Lieblinge, die längst ausgezogen sind und ihr eigenes Leben führen, haben immer noch ein Nest daheim bei Mutti.
Leben in der Platte
Die Wohnung habe sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert: Die große Sofaecke mit dem Velourstoff und die Schrankwand wurden vor zwei Jahrzehnten in einem Möbelhaus gekauft. „Obwohl meine Kinder ein Doppelstockbett hatten, schliefen wir gerne alle drei auf dem aufgeklappten Sofa im Wohnzimmer“, so die Alleinerziehende. Die Einbauküchenschränke stammen von den Eltern, weil das Geld damals einfach knapp war. Im ehemaligen Zimmer der Tochter steht heute ein Hometrainer, der von Petra benutzt wird, wenn sie tagelang das Haus nicht verlassen kann.
Freude durch Fotografie
Die EU-Rentnerin leidet seit 2000 an einer seltenen Autoimmunkrankheit, die acht Jahre später erst erkannt wurde. Für die Pädagogin brach damals eine Welt zusammen. Sie musste sich von ihrer geliebten Arbeit verabschieden und von nun an ein stark eingeschränktes Leben führen. „Der systemische Lupus bedeutete für mich, ab sofort eine Art Schattendasein führen zu müssen“, erklärt Petra. Untätig wollte sie nicht sein, deshalb holte sie ihre alte Kamera aus dem Schrank, scharrte andere Hobbyfotografen um sich und betreute viele Jahre eine Fotogruppe. Es entstanden zahlreiche Projekte wie beispielsweise die Kalender für das Kinderhospiz „Bärenherz“, für das sie auch heute noch schöne Motive liefert. Petra mag Makro-Aufnahmen, auf denen „Heuschrecken wie mächtige Saurier ausschauen“ und zeigt stolz auf das fantastische Bild mit den Schwänen im Silbersee an der Wand.
Seit sechs Jahren schreibt die Leipzigerin, die gerne Journalistin geworden wäre, Rezensionen für einen Bücherblog und oft wandern die Exemplare ins nahe Wilhelm-Ostwald-Gymnasium, wo sie sich als Buchpatin engagiert. In eigener Sache: Petra sucht für ein Fotobuch „Die Abenteuer der Bären“ mit fantastischen Naturaufnahmen einen Verlag. Einen Teil der Verkaufserlöse möchte die engagierte Leipzigerin ans Kinderhospiz „Bärenherz“ spenden. Wer helfen möchte, schickt bitte eine Anfrage an wohnblog@lvz.de
Wollte nur anmerken, dass die Länge Lene in Probstheida und nicht in Lößnig ist.
Liebe Simone,
nichts anderes steht in meinem Text: „1968 wurde Deutschlands längster Wohnkomplex „die Lange Lene“ in Probstheida ihr Zuhause…“
Heute wohnt Petra in Lößnig.
Schöne Grüße
Regina Katzer
Sehr schöner Artikel und Danke für die schönen Fotos Petra.