Liebe auf den ersten Blick

Ein herzliches Willkommen schallt mir im altehrwürdigen Treppenaufgang entgegen. Im ersten Stock des Hauses, wo Anfang des 20. Jahrhunderts der Malermeister Carl Gustav Damm wohnte, erwartet mich Silke Thomalsky.

Verliebt in Leipzig

Die 66 Quadratmeter große Wohnung im Stadtteil Zentrum-Ost hat sie erst vor ein paar Monaten bezogen. Als Wendekind ging die gebürtige Thüringerin zur Ausbildung in den Westen und blieb 15 Jahre in Hannover hängen. Später zog sie der Liebe wegen nach Wiesbaden und blieb zehn Jahre im Hessischen. Im Oktober 2012 reiste sie das erste Mal übers Wochenende an die Pleiße und war von der Stadt geflasht. „Daraufhin bin ich immer wieder gekommen, irgendwann habe ich beim Abschied geweint“, so die ausgebildete Bürokauffrau. „Ich bin Ossi und wollte zurück zu meinen Wurzeln. In Leipzig habe ich mich verliebt.“

„Urban trifft schön“

Jetzt ist die 42-Jährige in der Messestadt angekommen. „Das ist meine Stadt, hier habe ich in kürzester Zeit Freunde gefunden und viele Ideen für meine kreative Arbeit aufgesaugt“, erzählt Silke. Jeden Morgen fährt sie mit der Bahn von Leipzig nach Berlin, um in der Hauptstadt ihren Job zu erledigen. Abends kehrt sie in die gemütliche Zwei-Zimmer-Wohnung zurück, fußläufig zum Hauptbahnhof, und genießt das schöne Leben. Gemeinsam mit der Künstlerin Carina Röll kreierte sie das Projekt „Urban trifft schön“. Mittels Transfertechnik bringt Silke die Stadtansichten in drei verschiedenen Formaten auf Holz. Die Fotografin erkundet verlassene Orte abseits der Sehenswürdigkeiten, Silke erweckt die Motive an einem kleinen Arbeitsplatz in ihrer Küche wieder zum Leben.

Schätzchen von der Straße

Die Wohnung mit Balkon ist offen und hell, lediglich das Schlafzimmer sei noch rudimentär, meint die Bewohnerin. Sie selbst bezeichnet sich als „Sperrmülltante“. In Wiesbaden sei sie jeden Sonntagabend mit Freund Jonny losgezogen, um „Schätzchen“ auf der Straße zu finden. Im Küchenschrank steht jede Menge Rauchglas, das für sie so wertvoll ist, dass es gar nicht benutzt wird. Die dunkle Anrichte und das abgeschliffene Küchenbuffet sind Möbelstücke, die mitwandern und Geschichten erzählen. An vier Schichten Farbe habe sie mit ihren Eltern wochenlang an der Schleifmaschine gearbeitet, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Clubsessel wurden auf einem Online-Marktplatz ersteigert, der Küchentisch mit Schublade ist ein Einzelstück vom Tischler und ein Erbstück der Oma.

Vergessene Fotos

Im Flur hängen unzählige Bilderrahmen, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es sind teilweise „vergessene Fotos“ zu sehen, die Silke bei Haushaltsauflösungen in die Hände gespielt bekam. Ihr neues Projekt wird sich dieser Bilder, die aus alten Familienalben oder Chroniken stammen und von Hinterbliebenen entsorgt worden wären, annehmen. Wer sich mit Fotos beteiligen möchte, kann Silke hier kontaktieren.

2 Gedanken zu „Liebe auf den ersten Blick“

  1. Pingback: Wohnblog Best Of – erstes Halbjahr › Unterm Dach

Schreibe einen Kommentar