In Vorbereitung des Leipziger Opernballs, der am Sonnabend gefeiert wird, weilte ich mit der Opernball-Geschäftsführung und dem Co-Moderator des Abends, Schauspieler und Musiker Lenn Kudrjawizki, im Sommer in der tschechischen Partnerstadt Brno, um mich mit der Historie, der Kulinarik und der Baukunst vertraut zu machen. Unvergessen bleibt dabei der Besuch der Villa Tugendhat – auch wegen des atemberaubenden Blickes auf das historische Brünn mit seiner St.-Thomas-Kirche, dem Petrov-Hügel samt Kathedrale und der Burg Spielberg, die die Silhouette der zweitgrößten Stadt des Landes prägen.
Geschichte der Luxusherberge
Die Luxusvilla steht auf einem Grundstück, das einst ein elterliches Hochzeitsgeschenk für Greta und Fritz Tugendhat war. Die Entwürfe des legendären Baudenkmals der Moderne stammen vom deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe, dessen Arbeit das jüdische Unternehmer-Ehepaar sehr schätzte und ihn im Jahr 1928 beauftragten. Nach nur 14 Monaten Bauzeit war das formvollendete Haus, das seit 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, bezugsbereit. Im Jahr 1938 mussten die Tugendhats vor den Nazis fliehen – sie verließen die Tschechoslowakei und ihr Zuhause.
Hauptwerk des Bauhaus-Direktors Mies van der Rohe
Zum ersten Mal in der Geschichte der Baukunst wurde hierbei für ein Privathaus eine Stahl-Skelett-Konstruktion verwendet. Das zeitlos schöne Gebäude, das man an einem Hang errichten ließ, wird von 29 Stahlsäulen getragen. Von 2010 bis 2012 wurde die Villa Tugendhat für 7,5 Millionen Euro komplett saniert – in allen Details und Funktionen.
Modernes Wohnen in den 1930er-Jahren
Absolut einzigartig war damals schon die technische Ausstattung des dreigeschossigen Hauses mit einer Warmluftheizung und Kühlung, elektrischen Fensterhebern und einer Lichtschranke am Eingang. Das Interieur des früheren Familiensitzes besticht durch authentische Materialien aus den 1930er-Jahren: tropische Hölzer und edle Furniere, Fensterbänke und Treppen aus italienischem Travertin, eine im Licht schillernde Onyxwand aus Marokko, gebogenes Milchglas im Entree, Einbauschränke aus Palisander und im Boden versenkbare Glasscheiben in einer Größe von drei mal fünf Metern. Legendär sind die Klassiker der Moderne wie die stylischen Barcelona-Sessel von van der Rohe, die auch im Leipziger Grassi Museum für Angewandte Kunst ausgestellt sind. Einfach eingerichtet sind auch die beiden Kinderzimmer. Die Bäder haben zweigeteilte Waschbecken – eines links zum Händewaschen und eines rechts zum Zähneputzen. Und auch die schlichten Schlafräume wirken wie aus einer anderen Zeit.
Der klar strukturierte Wohnbereich auf der Hauptebene misst ganze 237 Quadratmeter. Große Vorhänge trennen die einzelnen Bereiche wie den Konferenzraum und das Musikzimmer mit Klavier oder die Bibliothek voneinander ab. Das Heimkino mit einer Projektionsmaschine gehörte zum Hobby des Fritz Tugendhat, der ein Foto- und Film-Fan war. In einer Dunkelkammer im Untergeschoss entwickelte der Hausherr erste farbige Bilder.
Beeindruckend für die Besucher aus aller Welt ist neben dem Maschinenraum, in dem man die Konstruktion der versenkbaren Fenster bewundern kann, auch die Waschküche, in der noch heute eine alte Trommelwaschmaschine und eine elektrische Schleuder zu bestaunen sind. Ein Blick lohnt sich auch in die dunkle Mottenkammer der meisterhaften Luxusherberge, wo die edlen Fellroben des Ehepaares gelagert wurden.
„Gemütlich“ wie im Krankenhaus.
Sehr informativer Beitrag!
Ich möchte einschätzen das hier eine solche Vorstellung dieses einzigartigen Kunstwerks der Baugeschichte und die Geschichte der jüdischen Familie mit ein paar Schnappschüssen und Kommentaren sicherlich der falsche Rahmen ist. Aber vielleicht dient es dazu dass einige Leser sich anderweitig dazu weiter bilden möchten.
Elin, dann doch lieber Krankenhaus;-)
@Claudia – Mein Beitrag ist als Special zum heutigen Opernball unter dem Motto Ahoj Cezko gedacht – zu Ehren des tschechischen Kulturjahres, das heute in Leipzig mit dem Ball eröffnet wird. Und ja, auch als Anstoß, sich mit der Geschichte der Villa intensiver vertraut zu machen, zumal die Barcelona-Chairs auch in Leipzig anzuschauen sind.
Wahnsinnshaus! Ein Meisterwerk, was seinesgleichen sucht.
Danke für die tollen Bilder, die es in jedem Fall wert sind, einmal genauer hinzuschauen, die Details zu entdecken und das Ganze mal von einem distanzierten Standpunkt, weg vom ständigen „ungemütlich-da-möchte-ich-nicht-wohnen“ zu betrachten!