Hauptsache gemütlich

Als ich Anfang der Woche zum Hausbesuch aufbreche, ist es draußen grau und trüb. Ganz anders dagegen präsentiert sich die Stimmung meines Gastgebers Ilja von Treeck in Leipzig-Reudnitz. Schön bunt ist es in der 90 Quadratmeter großen Atelier-Wohnung des 33-jährigen Künstlers, der als „Sterni-Sprayer“ vor acht Jahren von sich reden machte.

Zuhause im Osten

Das Mehrfamilienhaus aus den Dreißigerjahren sei ein richtiges Multikulti-Haus, meint der Ur-Leipziger, der im Osten der Stadt groß geworden ist. Den vier Zimmern (zu einem unschlagbaren Preis) konnte der gelernte Mechatroniker nicht widerstehen. „Das war allerdings eine Messie-Wohnung. Ich habe hier den kompletten Müll entsorgt und den Fußboden neu verlegt“, erzählt er. Ganz Individuelles gibt es in seinen vier Wänden zu entdecken: Ein Lampenschirm aus Efeu-Ästen schmückt die Deckenleuchte und zum Himmel im Tageslichtbad gibt es die passenden blauen Fliesenfugen.

Spachtelwand á la Richter

Das große Wohnzimmer mit den silbernen und lilafarbenen Wänden hat er erst kürzlich aufgehübscht – durch eine große abstrakte Spachtelwand, angelehnt an die Rakeltechnik des weltberühmten Malers Gerhard Richter. An ihr hängt ein farbiger Druck auf Alu-Dibond des jungen Leipziger Künstlers, der Grünpflanzen mag, genauso wie seine gemütliche Sofa-Ecke und die Hängematte vorm Dachfenster „Wenn man tagelang draußen arbeitet und stundenlang auf Gerüsten steht, möchte man es daheim schön bequem haben.“

Street-Art-Künstler

Während der verstorbene Vater, der Physiker war, sich nur hobbymäßig mit der Kunst beschäftigte, hat sich der Sohn nach seinem großen Auftrag für die Sternburg Brauerei 2012 selbstständig gemacht. Zwei Jahre lang verschönerte Ilja die Außenwände des Firmengeländes zwischen Mühl- und Oststraße. Zuletzt stand er 2019 vor Ort auf einer wackligen Hebebühne, um vier Gärtanks in einer Höhe von circa 30 Metern farbenfroh zu gestalten. „Ich möchte mit meiner Street-Art ein positives Gefühl hervorbringen und zeigen, dass Graffiti auch anders sein kann“, sagt der Künstler mit Blick auf seine drei „privaten“ Wände in Leipzig und Taucha, die ihm von den Eigentümern zur freien Nutzung per Vertrag überlassen wurden. Hier darf er sich künstlerisch austoben.

Atelier-Wohnung

Seine wichtigsten Arbeitsmaterialien – 40 Eimer Farbe, übersichtlich in Türmen aufgebaut, und mehr als 1000 Spraydosen in einem selbstgebauten Kartonregal – lagern schön geordnet nach Farbgruppen in einem kleinen schmalen Zimmer. Seine Lieblingsfarbkombination ist übrigens blau-orange, die sich auch gerne in seinen Outfits widerspiegelt. Bei der Arbeit ist seine Lackiermaske wegen der Dämpfe unerlässlich, in den Zeiten von Corona hat er sie aber auch schon ein Mal beim Einkaufen getragen.

Art-Prints für private Wände

Eine andere Schiene seiner Arbeit ist die Digital-Kunst – „kulturelle Standpunkte aus Binärcodes“, wie er sie nennt. Früher stand der Künstler mit der Farbpalette an der Leinwand, heute sitzt er vorm Rechner und kreiert seine Bilder. Seine Artprints sind für den Privatgebrauch geeignet, aber auch eine dekorative Bereicherung fürs Büro. Momentan verkauft der Künstler seine Werke im Pop-up-Store in der Mädlerpassage, gegenüber der Bar mit dem teuflischen Namen. Am Montag, 11. Mai in der Zeit von 15 bis 19 Uhr, und am Dienstag von 11 bis 15 Uhr ist Ilja van Treeck persönlich im Laden für die „schönen Dinge“ anzutreffen.

Schreibe einen Kommentar