Großstadtdschungel in Paunsdorf

Hausbesuch bei Harald (Foto: Regina Katzer)

Willkommen in der Welt von Harald! Seit acht Jahren wohnt der 58-Jährige, der in der Sicherheitsbranche arbeitet, im Leipziger Stadtteil Paunsdorf. Also rein in den Neubaublock und hoch in den vierten Stock. Sportlich zu Fuß, versteht sich. Einen Aufzug hat der Fünfgeschosser in Leipzigs zweitgrößter Plattenbausiedlung nämlich leider nicht.

Tausendundeine Nacht

Das Grau des Treppenaufgangs verschwindet sogleich beim Eintreten in die 61 Quadratmeter große Wohnung. Ich bin im Reich von Tausendundeiner Nacht angekommen. Der Flur ist ein Raum mit vielen Lichtern, selbstgeklebten Ornamenten, die sich in Spiegeln verdoppeln, Pharao- und Nofretete-Bildern und Wasserpfeifen als Dekoration. Schön bunt und farbenfroh.

Rechts neben dem Eingang geht’s in einen Raum, den der Bewohner als Bibliothek und zum Meditieren nutzt. Hierfür hat der gelernte Zootierpfleger einen Buddha-Schrein gebaut, verkleidet mit Holzrohr und Styropor und so manchem Geheimfach, das sich eignet, kleine Dinge zu verstauen. Auch der für Thailand berühmte Goldregen darf nicht fehlen, plaudert der Vater erwachsener Söhne, den es alle ein, zwei Jahre in die Ferne zieht.

Grünes Paradies unterm Dach

Das Highlight der zweieinhalb Zimmer ist die Wohnstube. Der Begriff Großstadt-Dschungel bekommt hier eine ganz neue Dimension. Ich nehme Platz auf der Couch, schaue mich um… und sehe grün! Hinter mir hängt eine Fototapete mit einer Felslandschaft aus Thailand an der Wand, über mir blüht eine mit Ästen dekorierte Decke, an der sich (künstliche) Farne ranken. Überall stehen oder hängen Urlaubssouvenirs – Masken aus dem Himalaya, ein Zigarren-Mann aus Kuba von seiner jüngsten Fernreise vor zwei Jahren, eine kleine Freiheitsstatue aus den USA, ein Sombrero sowie ein Skorpion und eine Krabbe aus Mexiko.

Schon bald gibt’s neue Mitbringsel aus der weiten Welt, die in Haralds grünem Paradies einen heimischen Platz finden werden. Ende Februar reist der gebürtige Leipziger in die Karibik und schaut sich die Dominikanische Republik an. „Übrigens immer ohne Handy! Im Urlaub breche ich alle Brücken ab“, erklärt der Reiseliebhaber, der seine Erlebnisse mit der Videokamera festhält.

Auf zum Himalaya

Sein weitester Trip führte ihn übrigens nach Nepal auf eine Trekkingtour durch das Himalaya-Gebirge. Er wollte die Mystik und Magie der Berge spüren – bei eiskalten Temperaturen, in Thermo-Unterwäsche und im Schlafsack auf 4.500 Metern Höhe, erinnert er sich. Einen großen Traum hat er noch: ein Mal die leuchtenden Polarlichter live erleben. Apropos Leuchten: Die gibt’s auch im Wohnzimmer in Hülle und Fülle. „Hier flimmern sogar die Rosen“, lacht Lampen-Harry, wie ihn seine Freunde liebevoll betiteln.

Projekt Sternenhimmel

Ein Zimmer weiter seh’ ich den Sternenhimmel. Nein, nicht den von Hubert Kah besungenen aus den 1980er-Jahren, sondern einen selbst entworfenen und gebauten von Harald, dem Hobby-Astronomen. Er habe eine Vorliebe für die Sterne und begeistere sich für die Unendlichkeit des Universums, sagt er. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 180 Sterne funkeln unter einer aufwendig gebauten Styropordecke, wann immer sich der Nachtarbeiter zur Ruhe legt. Bon soir!

 

Großstadtdschungel in 360 Grad

10 Gedanken zu „Großstadtdschungel in Paunsdorf“

  1. Ich finde die Wohnung wunderbar! Es wäre nicht mein Stil und dennnoch: die Liebe zum besonderen und zum Detail springt mich förmlich an. Es berühst mich richtig. 61 m2 Paunsdorf, Mieter arbeitet in der Sicherheitsbranche…spannend, wie ich plötzlich mit meinen Vorurteilen aufräumen muss.

  2. Jetzt weiß ich endlich, wer die ganzen Plasteblumen kauft.
    Nichts für ungut, jeder soll sich nach seinen Wünschen einrichten, sonst wäre es ja langweilig.

  3. Sind schon schöne Erinnerungen,aber auch nicht mein Stil.Wer wischt dort aber Staub?Schöner Sternenhimmel!

  4. Mein Stil ist ganz anders. Aber es wäre doch langweilig,wenn jeder das Gleiche hätte. Wenn Sie sich wohlfühlen und glücklich sind, was kann es besseres geben. Sehr ordentlich, toll gemacht und sie bekommen bestimmt auch gern Gäste, die sich ebenso wohlfühlen. Viel Glück in ihren vier Wänden

  5. Die Wohnung hat einen ganz eigenen und ganz besonderen Charakter. Hier leben Erinnerungen an schöne Urlaubswochen. Das ist wichtig in unserem stressigen Alltag und jeder bewahrt diese Erinnerungen anders. Harald lebt mitten in ihnen, ich gestalte lieber Fotobücher. Zu Hause ist zu Hause und Urlaub ist weg von zu Hause und für mich eben anders. Harald mag es so und das ist gut.

  6. Eine der besten Wohnreportagen bisher. Hier zeigt sich das Nest und nicht das Repräsentative um seine soziale Stellung zu behaupten. Skurriel und eigen. Wenn die Fotografin noch etwas an ihren Knipspositionen arbeitet und anfängt die Dinge und Gegenstände wirklich zu erfassen, nimmt das ganze langsam Bildbandqualitäten an. Inhaltlich sind wir hier auf einer sehr interessanten Spur.

  7. Ich finde die Wohnung richtig cool. Es ist halt mal was ganz anderes als die vier schwedischen Buchstaben, aber die Wohnung ist einzigartig. Wenn ich mich bei mir umschaue, wie langweilig es aussieht, zieh ich meinen Hut.

Schreibe einen Kommentar