Es ist Sonntag und Familienzeit bei den Hillers, die seit zehn Jahren auf 87 Quadratmetern im Leipziger Stadtteil Lößnig wohnen. Erstmals schaue ich mich in der ehemaligen Gartenstadt Alt-Lößnig um, wo zu Beginn des 20. Jahrhunderts die „Gemeinnützige Baugesellschaft Lößnig“ rund 1100 Wohnungen mit Fachwerk und Klinkerfassade errichten ließ. Im Hinterhof stehen alte Birnbäume, die Tischtennisplatten sind verwaist und auch den streunenden Katzen ist es heute zu frostig. Vorstadt-Idylle und ein klein bisschen Spießigkeit treffen hier aufeinander.
Wohlfühlzone daheim
„Unsere Drei-Zimmer-Wohnung mit Balkon wurde in den Neunzigerjahren saniert“, plaudert der Ur-Leipziger Thomas beim Betreten in den zyanfarbenen Flur. Dass der 48-Jährige und seine sechs Jahre jüngere Frau Alexandra ein eigenes Farbkonzept verfolgen, ist unschwer zu erkennen. In der rot-weißen Küche, die am Morgen für Energie sorgt, duftet es nach einer Tarte, die von der süßen Leidenschaft des Ehepaares erzählt.
Süße Leidenschaft
„Vor zehn Jahren habe ich die Cupcakes aus London mitgebracht“, strahlt Alexandra Wilmsmann-Hiller, die hauptberuflich als Marketing- und Kommunikationsexpertin bei einem großen Wirtschaftsunternehmen arbeitet. Im ehemaligen Familienunternehmen „Mintastique“, dem ersten Cupcake-Laden Leipzigs, agierte ihre Mama Diana bis 2018 acht Jahre lang als Produktionschefin. Heute ist die 61-jährige gebürtige Bulgarin nur noch Oma. „Wir kümmerten uns schon damals um das Seelenwohl – als die ‚Mintastischen‘ mit unseren kleinen Kuchen. Heute bieten wir als ‚Lebendigmacher‘ in unserer Praxis bewusste Auszeiten für die Seele an“, sagt die quirlige Alexandra, die eine Intensivausbildung zur Körperpsychotherapeutin absolviert hat. Sich selbst finden, entdecken und erden sei ein wichtiges Anliegen ihrer Tätigkeit als Achtsamkeitstrainerin im neu gegründeten Leipziger Forum für Entwicklung. Während wir reden, spielt das Töchterchen mit ihrem Papa ein Brettspiel und jubelt immer lauter.
Für mehr Lebendigkeit
Neuanfang
Das Wohnzimmer strahlt dank der Erdtöne und der Wand in kakaobraun viel Wärme aus. Einen persönlichen Altar entdecke ich auf einem Fensterbrett. Der stammt von Alexandra und erinnert sie an die Zeit, als sich ihr Leben in Veränderung befand und sie Fundstücke aus der Kindheit wie die Ikone, aber auch kleine Geschenke ihrer Tochter – wie das Hufeisen – liebevoll in dem Kästchen verstaute.
Der große Esstisch, der sich auch gut fürs Homeoffice eignet, kann von vielen Festen erzählen: „Den gibt es schon so lange wie wir uns kennen – seit genau 17 Jahren. Der ist vom Leben gezeichnet“, scherzt Thomas, der früher als Diplom-Handels-Lehrer gearbeitet und jetzt in der klinischen Hypnose seine Berufung gefunden hat. „Mit 16 habe ich auf der Insel Rügen meine erste Hypnose-Show erlebt. Das Thema hat sich immer wieder eingeschlichen“, so der Geschäftsführer der „lebendigMACHER“ in Stötteritz, der unter anderem eine Sängerin bei Stimmproblemen unterstützte oder auch bei Spinnenangst hilfreich eingreifen kann.
DIY-Lampen by Thomas
Ein kleiner „Zauberer“ ist der Mann mit dem Bart auch in Sachen Raum-Ausstattung. Passende Lampen zu finden, gestaltet sich meist schwierig. Man rennt durch Einrichtungshäuser, Baumärkte und am Ende wird gebastelt. Das Ergebnis kann sich im Hillerschen Wohnzimmer sehen lassen: Deko-Körbe wurden zweckentfremdet und Thomas schuf ein Unikat an Erleuchtung. Und im gelb angehauchten Badezimmer geht morgens für alle drei die Sonne auf, und die Insel Sylt grüßt von einem selbstgemalten Acrylbild über der Wanne.