Manchmal lerne ich meine Gastgeber über vier Ecken kennen: Ein herzliches Hallo schallt mir diesmal in einer Wohnanlage aus den Dreißigerjahren im Leipziger Süden entgegen. Sabine Glinkowski lebt seit 2004 auf 56 Quadratmetern in zwei Zimmern mit Küche, Bad und Balkon. „Hier ist es ruhig und ein bisschen wie zu DDR-Zeiten. Alle kennen sich und man redet miteinander“, plaudert die 68-Jährige.
Vom Land in die Stadt
Geboren 1951 in Colditz, ging sie nach Beendigung der achten Klasse in die Großstadt Leipzig, um an der Berufsschule Köchin zu lernen. „Ich kam vom Dorf und die Messestadt war für mich wie eine fremde Welt“, erzählt die inzwischen zweifache Oma. Schon nach einem Jahr habe sie gewusst, dass sie hier leben möchte. Als junge Frau wohnte sie damals in der Torgauer Straße zur Untermiete in einem alten Hinterhaus. Dort wurde die Wäsche auf der Leine vorm Fenster getrocknet und es gab eine Ofenheizung. Sie habe in ihrer Jugend viel ausprobiert: Eigentlich wollte sie Säuglingsschwester werden, dafür hätte sie aber den Abschluss der zehnten Klasse benötigt. Einmal arbeitete sie als Köchin im Porzellanwerk Colditz, später als Verkäuferin im Haushaltwarenladen „Haus und Herd“ und drückte noch einmal die Schulbank, um Lageristin zu werden.
In den 1970er-Jahren kamen ihre beiden Kinder zur Welt, von 1974 bis 1989 war sie verheiratet. Schon damals wohnte sie im Leipziger Süden, den sie am liebsten nicht mehr verlassen möchte. In den Neunzigerjahren stand sie wieder hinterm Kochtopf, unter anderem bei den Leipziger Verkehrsbetrieben. Bis heute seien Eintöpfe und Hausmannskost ihre Spezialitäten, sagt sie.
In Connewitz daheim
Gewohnt habe sie schon in Altlößnig und Stötteritz, in Connewitz gefalle es ihr aber am besten. Die Wohnungseinrichtung sei „mitmarschiert“, bis auf die neue Einbauküche. Der Röhren-Fernseher ist 14 Jahre alt, läuft aber in Stereo und hat sogar ein integriertes Radio. Die Schrankwand habe sie sich deshalb zugelegt, weil diese eine Beleuchtung hat, und die orangefarbenen Wände im Flur machen sie fröhlich. Die gemalte Sonne an der Küchenwand stammt von einem Obdachlosen, den sie vor drei Jahren kurzzeitig aufnahm. „Der hatte ‚goldene Hände‘ und viel in der Wohnung gewerkelt.“
Küchenfee im Restaurant des Herzens
Zu ihrer persönlichen Herzensangelegenheit wurde das 1995 gegründete „Restaurant des Herzens“ in Leipzig, das sie auch während einer schweren Krebserkrankung im November 2004 immer im Blick behalten hat. Im Dezember 2005 stieg sie als Objektleiterin wieder ein und kümmerte sich bis Weihnachten 2017 mit vielen Freiwilligen um sozial Schwache. „An manchen Tagen haben wir bis zu 350 Essen ausgegeben“, erinnert sich „Tante Bine“.
Objekt gesucht
Sabine war die gute Seele vieler Obdachloser und bedürftiger Leipziger Familien, die in den Wintermonaten auf eine warme Mahlzeit und zu einem Kaffee-Klatsch mit der Restaurant-Chefin in die Bornaische Straße 120 kamen. Heute stehen zwar Sponsoren bereit, der Verein „Restaurant du Coeur“, dessen erste Vorsitzende sie bis Juni dieses Jahres war, hat aber keine Räumlichkeiten mehr. „Der Geschäftsbetrieb ruht, bis neue Räume gefunden werden. Wir benötigen eine Küche, möglichst mit Geräten, und einen Speiseraum mit 150 bis 200 Sitzplätzen. Wer helfen kann, möge sich bitte melden“, lautet ihr Herzenswunsch heute.