Als ich die Patchwork-Familie Becher Anfang März in ihrer Dachgeschosswohnung im Leipziger Süden besuchte, hatte das Corona-Virus in unseren Breitengraden noch nicht diese Dimensionen erreicht. Das jüngste Kind lag schlafend im Bett, die anderen lernten in der Schule. Und ich saß mit meinem Gastgeber Thomas Becher (47) und seiner Ehefrau Steffi, die ich beide auf einer Vernissage kennengelernt hatte, im gemütlich offenen Wohnzimmer. Über uns schwebten neun kleine Feen aus Wolle, die von der 41-jährigen Grundschullehrerin während ihrer zurückliegenden Schwangerschaft genäht worden waren und ein Sinnbild für die eigene Großfamilie sind.
Organisation ist alles
Die sportliche Familie lebt im Leipziger Süden auf 138 Quadratmetern mit zwei Balkonen. Vom langen Flur gehen auch die drei Kinderzimmer ab: Das jüngste und erste gemeinsame Kind, das erst ein Jahr alt ist, nächtigt bei den Eltern, die vier Töchter und die beiden Söhne teilen sich jeweils zu zweit ein Zimmer. Alle „beteiligten“ Ex-Partner haben sich für ein Wechselmodell entschieden, das gut funktioniert: „Es ist ein schönes Miteinander mit allen Kindern, vom Kleinsten bis zur Ältesten, die mit 18 auf dem Absprung ist“, berichtet Thomas, der seit zwei Jahren als Heilpraktiker in Vollzeit in seiner eigenen Praxis für Naturheilkunde, Psychotherapie und Massage im Leipziger Westen arbeitet. Selbst vorm einzigen Bad bildet sich keine Schlange, alles sei gut organisiert.
Patchwork
Bunt gemixt ist auch die Einrichtung des Ehepaares, die vor sechs Jahren gemeinsam unters Dach zogen und sich ein Jahr später das Ja-Wort gaben. Eines ihrer gemeinsamen Hobbys ist das Schneidern. Und bis vor Kurzem wurden die Kinder von ihnen eingekleidet. Mit zunehmendem Alter würde das wegfallen, trotzdem kommen alle vier elektrischen Nähmaschinen immer mal wieder zum Einsatz – beispielsweise, um die farblich abgestimmten Kissenbezüge für die Eichen- und Kieferstühle am langen Esstisch zu schneidern. Und auch das halblange Brautkleid ist ein Gemeinschaftsprojekt der Eheleute. Mit dem Tandem ging es 2015 in der selbstgeschneiderten Robe erst zum Standesamt und später weiter zur Freien Trauung ins Labyrinth auf dem Jahrtausendfeld. Vor einem Jahr kam Töchterchen Runa bei einer Hausgeburt zur Welt und wurde liebevoll in den heimischen Wänden empfangen.
Privatsphäre
Der Tag beginnt bei Bechers morgens um fünf Uhr: Als erste geht die älteste Tochter ins Badezimmer, da sie derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert und früh das Haus verlassen muss. „Sie ist schon weg, wenn alle anderen ihre Nasen raus stecken“, erzählte Steffi, die sich jeden Morgen über einen schon gedeckten Frühstückstisch freut. Die Lehmwand im großen Wohn- und Esszimmer mit den hölzernen Balken, hinter der sich das elterliche Schlafzimmer befindet, hat der Hausherr auf Wunsch seiner Frau in eigener Handarbeit errichtet. Ein bisschen Privatsphäre muss schließlich auch sein.
Familien aufgepasst
Familien brauchen eine starke Stimme in der Öffentlichkeit – hier geht es zur Umfrage (mit Gewinnspiel) des Familienkompass Sachsen, eine Aktion von LVZ, Freier Presse und Sächsischer Zeitung.