Eine starke Familie

An einem Samstag Anfang Februar mache ich mich auf den Weg ins Leipziger Land zum nächsten Hausbesuch. Meine Gastgeberin, Sandra Geisler, steht an der Eingangstür eines hellen Einfamilienhauses mit Spitzdach und bittet mich in die gute Stube. Haushündchen Mila, ein Mix aus französischer Bulldogge und Mops, beschnuppert mich kurz und verkriecht sich dann aber wieder in ihr Körbchen.

Leben auf dem Dorf

Die 34-jährige Sandra wuchs in der Nähe von Mittweida auf und schon während der Ausbildung zur Mediengestalterin lernte sie ihren späteren Ehemann kennen. Damals suchte die Azubine eigentlich nur jemanden, der ihr Auto reparieren konnte. Zufällig lief ihr da Kfz-Meister Nico über den Weg, der heute bei einem großen Automobilhersteller als technischer Betriebswart arbeitet. 2014 gaben sich die Verliebten das Ja-Wort. Sohn Ben, ein kleiner Fußballer, ist inzwischen acht Jahre alt.

Nachdem die kleine Familie in Zweenfurth zwei Jahre lang zur Miete gewohnt hat, wollte das Paar etwas Eigenes und machte sich auf die Haussuche. Das Fundstück, gebaut im geschichtsträchtigen Jahr 1989, hatte den typischen Charme der Neunziger, verkleidet mit unzähligen Holzpaneelen und alten Tapeten. „Auch der Garten war komplett zugebaut. Dabei wollte unser Sohn einfach Fußballspielen und draußen herumtoben“, erzählt die selbstständige Geschäftsfrau, die seit sieben Jahren erfolgreich das Stoff- und Schnittmuster-Label „Print4Kids“ führt.

Projekt Hausumbau

Zupacken können sie, die Geislers. Tagelang mussten die beiden über Kopf arbeiten, um mit dem Brecheisen die Deckenplatten zu entfernen. Die Wände im Obergeschoss wurden versetzt, Kabel und Stromanschlüsse neu gelegt. Die vorhandenen Rundbögen im Erdgeschoss wurden beseitigt und Türen eingebaut. Auch die Entfernung der Latexfarbe von den Wänden war sehr mühsam und zeitraubend. „Wir haben Tag und Nacht mit der Familie und guten Freunden gewerkelt“, berichtet Sandra über die aufwendige Sanierung des zweigeschossigen Hauses mit einer Wohnfläche von 110 Quadratmetern. Das Bad war das einzige Zimmer, das nicht renoviert werden musste. Die freistehende Wanne macht mich ein bisschen neidisch.

Mit Nadel und Faden

Nur sechs Wochen nach Beginn der Renovierungsarbeiten zogen Vater, Mutter und Kind ins Traumhäuschen mit großem Garten. Über ein Jahr lang war das heutige Gästezimmer im ersten Obergeschoss Sandras Arbeitsplatz. Anfangs nähte sie hier Kindersachen, später kamen Schnittmuster und selbst designte Stoffe hinzu. Ihr Faible für Stoffe hat sie von ihrer Mutter und der Oma geerbt. Beide arbeiteten als Schneiderinnen in einem Trikotagenbetrieb. Im Gegensatz zu ihnen wollte Sandra als Teenager Ende der 1990er-Jahre allerdings einen modernen Beruf erlernen. Große Lust auf Nadel und Faden hatte sie damals nicht – anders als jetzt. „Heute nähe ich meiner Mama die T-Shirts“, sagt die junge Frau und lacht.

Wohnzimmer in 360 Grad

 

Als Sandras Business das halbe Haus, inklusive Keller und Garage, in Beschlag nahm, musste eine Lösung her. Vor drei Jahren öffnete sie deshalb ein Ladenatelier im Leipziger Osten. Es gab so viel zu tun, dass die Familie im Juli 2017 sogar den Sommerurlaub im Geschäft verbringen musste. Ehemann Nico half ihr die Bestellungen abzuarbeiten, Sohn Ben tobte sich unterdessen auf dem Spielplatz aus, der zum Gelände gehört. Sie habe keine einzige Minute, die sie ins Geschäft investierte, je bereut. „Meine Kunden lieben meine Stoffe“, strahlt Sandra und schaut dankbar auf ein Strandbild aus dem fantastischen Urlaub in Mexiko.

 

 

 

 

 

 

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