Als DDR-Kind fühle ich mich bei meinem heutigen Gastgeber Christoph Liepach so richtig heimisch. Das Wohnhaus im Osten von Leipzig stammt aus dem Jahr 1909. Das altehrwürdige Gebäude empfängt die Besucher mit der Inschrift „Salve“ – sei gegrüßt! Ich nehme den Fahrstuhl in die vierte Etage, die restlichen Holztreppen bis ins Dachgeschoss überwinde ich zu Fuß.
Der Fotograf, der nach dem Abitur ein Design-Studium in der Bauhausstadt Dessau absolviert hat, wohnt seit Februar 2016 mit einer Freundin in der Drei-Zimmer-Wohnung unterm Dach. Die Wohngemeinschaft teilt sich das Bad, die Abstellkammer und die kleine Küche. „Für zwei Leute ausreichend, ab drei wird’s kompliziert“, kommentiert er meinen Blick in die Mini-Küche mit dem Dachfenster und den Schrägen. Rechterhand befindet sich eine Küchenzeile mit Herd und Dunstabzugshaube, Abwaschbecken und Gewürzregal. Linkerhand steht ein großer Kühlschrank, an der grünen Wand wurde ein klappbarer Tisch befestigt, an dem die Bewohner auch mal einen Tee trinken.
In seinem Zimmerchen, auch Atelier genannt, stehen etliche seiner Fotos in Kartons verpackt. Das ist wohl der (minimale) Nachteil einer kleinen, preiswerten Dachgeschoss-Bude: Es ist schlicht zu wenig Platz an den Wänden. Einige wenige Bilder, die er hier zeigt, sind nicht zufällig ausgewählt und stammen größtenteils aus seiner Foto-Serie zum Thema „In der Art eines Idylls“. Zu sehen sind nostalgische, rekonstruierte Bilder des Künstlers, basierend auf Kindheitserinnerungen von DDR-Bürgern. Ich betrachte eine Kindergarten-Erzieherin samt typischer Schürze mit ihren Schützlingen im Buddelkasten vorm Plattenbau. Über dem Buffet: das Bild eines Mädchens mit Kniestrümpfen und luftbereiften Tretroller auf einem Spielplatz.
An der Wand über dem Bett hängt ein Foto einer Situationsstudie, die drei Arbeiter während einer zehnminütigen Pause in einer Baracke zeigt. Man schweigt miteinander, der eine liest in einer Zeitung, der andere isst eine Banane, der dritte hält seine Frühstücksschnitte in der Hand und wagt einen Seitenblick. Eine blumige Gardine in braun-orange, die fast jeder von Oma und Opa kennt, dient als Tagesdecke. Im historischen Buffetschrank, der von einer alten Dame stammt, hat er ein paar formschöne Dinge ausgestellt – eine Sammeltasse, ein keramisches Gefäß, ein paar grüne Weingläser und eine Teller-Etagere.
Nebenan in der Wohnstube herrscht Nostalgie pur. Zu Ost-Zeiten sorgten die Schrankwände aus dem VEB Möbelkombinat Hellerau für einheitliches Flair in den monotonen Plattenbauten. Etwas Spielraum blieb damals nur bei der Dekoration. Christoph hat seine Anbauwand mit dem Echtholzfurnier bei einer Wohnungsauflösung im Leipziger Seeburgviertel gefunden, auseinandergenommen und ein wenig luftiger aufgestellt. Als L-Form und Sideboard passen die Teile gut ins 15 Quadratmeter große Zimmer, kombiniert mit Wandregalen, Lampen und einem höherverstellbaren Tisch aus vergangenen Zeiten.
Ein letztes Möbelstück aus einem schwedischen Kaufhaus steht vor einer roten Wand, drapiert mit Omas genähten und gehäkelten Sofakissen. Opas altes Röhrenradio fristet sein Dasein als Deko auf dem Schrank. Ebenso sind die rote Lampe aus einem Abrisshaus und die grüne Wäschetrommel ein Relikt der Vergangenheit.
Schön, wenn sich der junge Wohnungsinhaber in dieser Wohnung wohlfühlt. Für mich wäre es definitiv nix; ich käme mir vor wie in einem DDR-Politbüro oder wie bei meiner Oma, als sie vor 20 Jahren noch lebte. Ahoi
Ob nun Ikea oder DDR Charme, für mich wäre es nichts. Aber wie immer wohne ich nicht dort, daher geht es nur um den Bewohner, fühlt er sich wohl ist alles gut.
Diese „Rema toccata“- Anlage kenne ich noch. Macht guten Sound.
Nostalgie oder Ostalgie? Tja manches Mobiliar findet ihren Weg einfach nicht zum richtigen Ort und wird noch als Vintage oä. verkauft. Tja wer sich noch darin wohl fühlt. Der Kabelwirrwarr in Bild 3 sagt vieles aus. Für mich alles Zeichen, daß man von solcher „Kunst“ scheinbar nicht leben kann.