Mein Weg führt mich diesmal nach Dreiskau-Muckern, einer Gemeinde im Süden Leipzigs, die in den 1980er-Jahren fast der Braunkohle weichen musste, sich im Jahr 2000 anlässlich der Weltausstellung zum Expo-Dorf mauserte und vor sechs Jahren zu einem der schönsten Dörfer Sachsens gekürt wurde.
Dreiseithof mit Charme
Andrea und Karsten Hiller leben seit 22 Jahren auf einem größtenteils denkmalgeschützten Dreiseithof. Als das Dorf in den Neunzigerjahren wiederbelebt wurde und das Hauptaugenmerk auf einer Symbiose von Gewerbe und Wohnen lag, hatte der Mann als Tischler gute Karten. Das Ehepaar zog alsbald auf den circa 200 Jahre alten Hof und lebt heute zu viert hier – mit Sohn Clemens (22), der als Polier arbeitet, sowie Hund Zorro, der mich lautstark begrüßt. Nur Tochter Luise (24) wohnt mittlerweile in Berlin, schaut aber immer wieder gerne in der alten Heimat vorbei.
Gelebtes Handwerk
2009 hatte Andrea Hiller, die in jungen Jahren eine Tischlerlehre absolvierte und später 20 Jahre lang bei einer Bank gearbeitet hatte, einen wegweisenden Moment in Barcelona im Park Güell von Antonio Gaudi. „Ich stand in einem Meer aus Farben. In dieser Umgebung empfand ich so ein starkes Glücksgefühl. Ich wollte mehr wissen, sehen, machen, fühlen“, erinnert sich die 53-Jährige und ihre Augen leuchteten – kein Wunder bei den vielen Mosaiken. Seitdem ist die zweifache Mutter den bunten Stein-Collagen „verfallen“, wie sie sagt. Vor fünf Jahren wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit: Ihre 60 Quadratmeter große Werkstatt im ehemaligen Schweinestall hat sie aufpoliert und gibt Kurse für jedermann. „Ich bin von Herzen Handwerkerin und liebe das freie künstlerische Gestalten mit verschiedenen Materialien“, plaudert die gebürtige Babelsbergerin, die im Alter von einem Jahr mit ihren Eltern nach Leipzig zog.
Kunst aus dem Herzen
Ein Ort für Freunde und Familie
Der Handwerkerhof gegenüber der Kirche ist ein einzigartiges Universum: In den ehemaligen Scheunen und Ställen entstand auch die „hirnholz Manufaktur“, wo der Ehemann nachhaltige Möbel aus Echtholz produziert. Und hauptsächlich im Sommer ist auf dem ehemaligen Heuboden, dem zweiten Wohnzimmer der Familie, immer was los: „Zur Fußball-Weltmeisterschaft hatten wir Freunde und Bekannte unters Dach eingeladen, um gemeinsam die Spiele zu schauen und zu feiern. Es gibt aber auch einen Schallplattenspieler, der für unterhaltsame Abende sorgt“, erzählt die Hausherrin.
Ein Hingucker auf dem Speicher ist der lange alte Eichentisch, der circa 60 bis 70 Jahre auf dem Buckel hat. Gemütlichkeit gibt’s hier in jeder Ecke – alte Möbel, die vielen Geschichten, die hinter den Kunstwerken stecken, und die Schmuckstücke an den Wänden. Im kleinen Gästezimmer nebenan, in dem es nach Zirbelkiefer riecht, können zwei Leute nach einer durchzechten Nacht ihr müdes Haupt betten und hoffentlich gut schlafen. An den Wänden hängen Holzschnittdrucke von Workshops, auf denen vornehmlich Frauen abgebildet sind – mit Ausnahme eines beeindruckenden Schwimmers, der meinen Blick magisch anzieht.
Panorama unterm Dach
Am Sonnabend, den 24. August, lädt von 10 bis 18 Uhr ganz Dreiskau-Muckern zu den „Offenen Höfen“ ein. Auch Hillers öffnen ihr altes Hoftor, um Besucher zu begrüßen. Schauen Sie vorbei und machen sich selbst ein buntes Bild.
Danke für diesen tollen Blog. Lese schon seit einiger Zeit still mit.