Willkommen in der 41 Quadratmeter großen Einzimmer-Wohnung von Andrée Mombour im Leipziger Stadtteil Dölitz-Dösen. Zum ersten Mal sind wir uns im November 2019 begegnet. Ich war auf dem Weg in die Gartenstadt Alt-Lößnig und kam zufällig an einem alten Wohnhaus mit sehr dörflichem Charakter vorbei. Neugierig schaute ich mich um. Plötzlich ging das große Tor auf und Andrée begrüßte mich freundlich. Der Familienname stammt von den Hugenotten ab und der Vorname Andrée ist die französische Form des weiblichen Vornamens Andrea.
Daheim im Süden
Seit fast zehn Jahren wohnt der 55-Jährige, der früher als Frau gelebt hat, in einem Altneubau, der sich im Hof gegenüber dem baufälligen Haus befindet. Wir nehmen Platz im großen Zimmer, das gleichzeitig als Wohn-, Ess- und Schlafzimmer dient – und so einige „Trödelecken“ besitzt, wie der Bewohner scherzhaft bemerkt. Auf dem Sofatisch stehen selbstgefaltete Kraniche aus Papier und an der Wand hängt ein weiser Spruch des Dalai Lama: „Wer Mitgefühl hegt, erkennt, dass seine Taten Auswirkungen auf die ganze Welt haben.“
Ausbildung in Colditz
Geboren wurde Andrée in der Uckermark. Die Kindheit verbrachte er mit der Familie auf dem Gehöft, das der Oma gehörte. Als Fünfjähriger fuhr ihn die Mutter zum Ballett-Unterricht, später lebte die Familie im brandenburgischen Angermünde. Als Jugendlicher zog er sich in die Bücherwelt zurück und wusste lange nicht, was er nach der Schule lernen möchte. „Ich wollte einfach nur weg aus dieser kleinen Stadt“, sagt Andrée. Nach der zehnten Klasse ging er ins Internat und lernte im ehemaligen VEB Colditzer Porzellanwerk den Beruf eines Keramiktechnikers mit Abitur. „Das war die intensivste Zeit meines Lebens“, erinnert er sich. Umgeben von alternativen Leuten, die Musik machten, kunst- und kulturinteressiert waren, blühte Andrée auf.
Gestrandet in Leipzig
Nach der Berufsausbildung arbeitete er ein Jahr im Betrieb und zog dann weiter nach Seyda in Sachsen-Anhalt, wo er sich in einem Pflegeheim um Behinderte kümmerte. 1987 ging er nach Leipzig zum Lehramtsstudium für Deutsch und Kunsterziehung, das er 1993 abschloss. Dem Leistungsdruck und Pensum an den Gymnasien nicht gewachsen, erkrankte er psychisch und konnte nur noch Hilfsarbeiten ausführen. Er jobbte als Eisverkäufer, Zeitungszusteller oder als Kellner, hielt sich mit ABM-Stellen über Wasser. Seine Ehe scheiterte nach zehn Jahren. „Ich fühlte mich gestrandet und konnte kein richtiges Leben mehr führen“, erzählt der EU-Rentner.
Ein-Zimmer-Wohnung mit Balkon
Auf der Suche
Im Jahr 2010 machte er sich auf die Suche nach sich selbst und stellte sich die wichtige Frage „Wer bin ich wirklich?“. In der Auseinandersetzung mit der eigenen Person fand er vor vier Jahren die Antwort. „Ich bin transsexuell“, sagt Andrée voller Glück, der bis dahin ein Leben im Körper einer Frau geführt hatte. Jetzt sei für ihn der wichtigste Lebensabschnitt, vorher wäre alles Suche gewesen. An der Leinestraße fand Andrée einen Garten, den er im Frühjahr bewirtschaftet. Bis dahin genießt er die Sonnenstunden auf dem Balkon, der so groß ist, dass „man darauf Schlittschuh laufen könnte“, bemerkt mein Gastgeber lachend – und ist dankbar für jeden neuen Tag.
Wie wohnlich ein Raum durch Grünpflanzen wirkt!
Schöne gesunde Pflanzen, viel Holz, echtes Rattan und eine Menge bunter Kleinigkeiten – ein fröhliches gemütliches Zuhause !
Und eigentlich gehört in jede Wohnung ein Lampion …
Ein bemerkenswerter Mensch mit ganz viel Freundlichkeit und Sonne im Herzen. Ich wünsche ihm alles Gute, Gesundheit und ein schönes weiteres Leben