Zwanzig Autominuten von Leipzig entfernt wohnen Jessica Barthel und Daniel Böck mit ihrem Töchterchen Lou in einem Häuschen im Grünen. Alte Aufzeichnungen datieren das dreistöckige Gebäude mit dem Spitzdach auf das Jahr 1902. Der Wohnraum misst 160 und der Garten 7000 Quadratmeter. Mit dem Drahtesel sind die drei in fünf Minuten am Moritz- oder Grillensee. Und als Familie leben die jungen Leute jetzt so wie sie aufgewachsen sind – auf dem Lande.
Zurück in die Heimat
Vor zweieinhalb Jahren saß die junge Frau spätabends in ihrer Wohnung in der Berliner Kantstraße erschöpft am Rechner. „Unsere Tochter war 2017 zur Welt gekommen und wir suchten eigentlich einen Garten in der Uckermark. Außerdem wollte ich schon immer ein Haus am See. Plötzlich sah ich die Anzeige – was für ein Glücksfall“, sagt Jessica, die seit 1. November 2019 gemeinsam mit Partner und Kind in einem alten, neuen Häuschen im Grünen zu Hause ist.
Bayern, Big Apple und das Allgäu
Bis zu ihrem fünften Lebensjahr wohnte die heute 35-Jährige mit den Eltern in Leipzig-Schönefeldt – mit Auto und Farbfernseher, aber ohne die Freiheit, einfach auf Reisen gehen zu können. Nur wenige Tage vor der Maueröffnung flüchtete die Familie über Ungarn in den Westen und wurde in Bayern sesshaft. Aber der Tochter wurde es in Süddeutschland irgendwann zu eng. Drei Wochen nach dem Abitur flog Jessica über den großen Teich nach New York und studierte in der Weltmetropole Fotografie. Nach vier Jahren kehrte sie nach Berlin zurück, absolvierte ein Design-Studium und flog erneut in die USA, um bei der „New York Times“ als Fotoassistentin zu arbeiten. „Irgendwann war ich wegen einer eigenen Ausstellung in Berlin und nächtigte bei einer Freundin. Dort lernte ich Daniel aus dem Allgäu kennen, der in München studierte“, erzählt die Freiberuflerin, die wegen der Liebe zu ihm aus den Staaten nach Deutschland zurückkehrte.
Schwalbenjahre
Ihre ganz persönliche Ost-West Geschichte hat die Fotografin zum Gegenstand eines soziokulturellen Projekts gemacht. Sie möchte damit das Bild und die Klischees der Ossis aufbrechen und sucht für die Familienportäts „Schwalbenjahre“ Leute, die Fotoalben öffnen und ihre eigenen Wende-Storys erzählen.
Landleben
Während wir auf eine Haus- und Gartenbesichtigung gehen, spielt Daniel mit Töchterchen Lou, einer pfiffigen Dreijährigen, im neuen Baumhaus. Dieses war ein besonderes Geburtstagsgeschenk vom Opa, das er in allen Einzelteilen aus Bayern mitgebracht hat. „Ein sogenanntes Upcycling-Haus – gebaut aus alten Zäunen, Pfosten und Fensterrahmen“, plaudert der 33-jährige Kameramann, der ebenso wie seine Frau als Freelancer arbeitet.
Aus Alt mach Neu
Das Haus am Rande der Stadt sei wie ein Lottogewinn gewesen – Hunderte Bewerber aus nah und fern waren zur Massenbesichtigung im April 2018 vor Ort erschienen. „Rad- und Porschefahrer, Rentner und Singles interessierten sich für das Grundstück“, beschreibt Jessica die bunte Mischung der Interessenten. Dass sie am Ende den Zuschlag erhielten, war eine abenteuerliche Geschichte, ein Hin und Her über Monate. Die Renovierung des alten Hauses zog sich dann noch einmal ein ganzes Jahr in die Länge. Allein fürs Entrümpeln benötigten sie drei Monate – angefangen von alten schäbigen Möbeln, die oft mit der Axt kleingemacht werden mussten, weil sie nicht über die schmale Treppe entsorgt werden konnten, über die Öfen bis hin zum Schiffslack unter den Schichten an Tapeten musste alles raus. „Shabby Chic ist nicht unser Ding. Außerdem hatten wir keine Zeit, alles aufzuarbeiten. Wir wollten so schnell wie möglich einziehen“, plaudert die Hausherrin.
Hinterm Mauerwerk
Aus drei kleinen Räumen im Erdgeschoss haben sie ein großes Zimmer mit Küchennische, Esstisch und Wohnzimmer geschaffen. Der alte Treppenaufgang aus Holz blieb erhalten, ansonsten haben die beiden alle Böden aus PVC und Teppich entfernt. In der oberen Etage hat die Tochter ihr kleines Reich mit allem was das Mädchenherz begehrt und nebenan nächtigen die Eltern im offenen, hellen Schlafzimmer mit einem Designer-Bad. In der dritten Etage mit einem wunderschönen Blick auf den Garten befindet sich das Homeoffice – hier sprüht es nur so von der Kreativität der beiden Solo-Selbstständigen. Am liebsten arbeiten sie gemeinsam – bleibt zu hoffen, dass die Veranstaltungsbranche schnell wieder durchstartet und ihnen Aufträge einspielt.
An die Anzeige damals kann ich mich auch noch gut erinnern.
Ich freue mich für die drei, was für ein schöner Platz zum Leben daraus geworden ist!
Alles Gute!
Geht doch nix über ein trautes Heim im Grünen!
Schön. Bis auf die vergitterten Fenster.